Nur noch wenige Monate in unserer Nachbarschaft: die Sammlung Hoffmann
Berlin verliert eine spannende Sammlung zeitgenössischer Kunst. 25 Jahre lang war sie in den Sophie-Gips-Höfen in unmittelbarer Nachbarschaft der Hackeschen Höfe für die Öffentlichkeit zugänglich. In diesem Jahr gibt es eine letzte Gelegenheit, die aktuelle „Einrichtung” zu sehen.
Die heute 83-jährige Erika Hoffmann sträubt sich gegen den Begriff „Sammler”. Obwohl sie mit ihrem verstorbenen Mann über Jahrzehnte hinweg ungefähr 1200 Werke zusammengetragen hat, sieht sie sich nicht als klassische Sammlerin. Kunst ist eine Leidenschaft und ihr zum Lebensinhalt geworden.
Während die Hoffmanns gemeinsam die Textilmarke „Van Laack” zum Erfolg führten, begannen sie schon in den 1960-er Jahren, Kunstwerke zu erwerben und auch zu zeigen. Zur Sammlung gehören heute Werke von Marina Abramovic, Keith Haring, Gerhard Richter und Andy Warhol.
Oben: Installation mit Arbeiten von Ernest Neto, Foto: Jens Ziehe
Links: Erika Hoffmann vor "Atlas of wall 81 extraits ‘Manifesta’ #10 von Joelle Tuerlinckx,Tische und Stühle von Warren Platner, Foto: Alexander Gehring
Neugier auf Entdeckungen
Musste das Ehepaar Hoffmann im Unternehmen strategisch planen und kommerziell agieren, sollte es mit der Kunst ganz anders sein. Die Hoffmanns wollten keinerlei Strategie verfolgen, sondern Entdeckungen machen. Unabhängig von Bekanntheitsgrad oder Marktwert eines Künstlers kauften sie Kunst, die neu und überraschend war. Gerne auch solche, die sie nicht auf Anhieb verstanden. Sie waren neugierig auf Neues, Unerwartetes, Kunst, die im Entstehen war. Elke Giffeler, die Leiterin der Sammlung, vergleicht die Erwerbungen mit Tagebuch-Einträgen, die Lebenssituation, Interessen, Begegnungen und Diskussionen zwischen den Eheleuten widerspiegeln. So entstand eine sehr persönliche und vielfältige Sammlung.
Nach Berlin
Nach dem Verkauf des Unternehmens widmeten sich die Hoffmanns ganz der Kunst. In den 1990er Jahren gewannen sie andere Privatsammler für das Projekt einer Kunsthalle für Zeitgenössische Kunst in Dresden und initiierten einen kühnen Entwurf des Künstlers Frank Stella für ein Gebäude in der Nähe des Zwingers.
Nach dem Scheitern des Projekts entschieden sich die Hoffmanns für Berlin als Lebensmittelpunkt und Ort der Sammlung. Sie erwarben die baufälligen Sophie-Gips-Höfe und machten aus ihnen, was sie heute sind: Eine lebendige Mischung aus Gewerbe, Wohnen und Gastronomie. In den Räumen einer ehemaligen Nähmaschinenfabrik schufen die Hoffmanns auf zwei Etagen großzügige Räume, in denen sie mit Teilen ihrer Sammlung leben und Besucher empfangen konnten.
Rechts: Werke von Rosa Barba, Ettore Spalletti, Isa Genzken and Roni Horn, Foto: studioschuurman
Wechselnde „Einrichtungen”
Seit 25 Jahren wurde jeweils einmal im Jahr eine neue „Einrichtung” genannte Auswahl zusammengestellt. Ausgehend von einem Motto wurden Künstler und Werke ausgewählt, wiederentdeckt und immer wieder neu arrangiert. An Samstagen waren und sind diese Einrichtungen auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Zwischen 100 und 120 Besucher nehmen Woche für Woche an den Führungen teil, 130.000 Menschen in 25 Jahren. Ungefähr 40 Prozent der Besucher sind Berliner. Viele von ihnen kommen immer wieder, um die jeweils neue Einrichtung zu sehen. Neben den Berlinern kämen verhältnismäßig viele Skandinavier, berichtet Frau Giffeler – warum auch immer. Voraussichtlich noch bis Ende des Jahres 2022 ist die aktuelle Einrichtung zu sehen. Es ist die Letzte. Das Motto: Tanz den Tanz. Dabei sind Werke von Lucio Fontana, Isa Genzken, Katharina Grosse, Sigmar Polke und Andy Warhol.
Links: Ostfassade der Sophie-Gips-Höfe mit Wort-Skulptur von Lawrence Weiner, davor eine Rasen-Skulptur von Teresa Murak
Die Sammlung geht
Eine Ära geht zu Ende. Erika Hoffmann trennt sich von ihren Kunstwerken. Im Jahr 2018 schenkte sie die Sammlung der Stadt Dresden und übersiedelt dorthin innerhalb einer Übergangszeit von fünf Jahren. Frau Hoffmann war es wichtig, dass sie zusammen bleibt und auch Werke unbekannter Künstler gesichert und wissenschaftlich betreut werden. In Dresden werden die Objekte der Hoffmanns keinen eigenen Ort bekommen, sondern werden durch die bestehenden Museen „mäandern”, wie Giffeler es ausdrückt, und dabei in einen Dialog mit anderen Exponaten treten. Das müssen nicht unbedingt Kunstwerke sein. Im Moment ist beispielsweise ein Gedicht des Künstlers Marcel Broodthaers zum Thema Geld im Münzkabinett zu sehen.
Rechts: Werke von François Morellet und Katarzyna Kobro, Foto: Jens Ziehe
Danach gefragt, ob die Sammlung auch in Berlin hätte bleiben können, verweist Giffeler auf die weit zurückreichende Verbundenheit des Ehepaares mit der Stadt Dresden. Doch das ist möglicherweise nicht der einzige Grund. Obwohl Frau Hoffmann mit den Leitern sämtlicher Institutionen der Berliner Kunstwelt Umgang hatte und jeder sehen konnte, dass sie älter wurde, habe sich in Berlin nie jemand dafür interessiert, was mit der Sammlung passieren wird, erinnert sich Frau Giffeler.