„Hier streicheln” – Atelierbesuch bei Hans Peter Adamski
Die Hackeschen Höfe sind eine der beliebtestens Sehenswürdigkeiten in Berlin Mitte. Davon, was in den über 100 Wohnungen in den oberen Etagen passiert, bekommen die vielen Besucher der Höfe kaum etwas mit. Aber die meisten bemerken ein Werk des Künstler Hans Peter Adamski. Wir besuchen ihn in seinem Atelier.
Hans Peter Adamski, geboren 1947, arbeitet seit zwölf Jahren in seinem Atelier in Hof 2 der Hackeschen Höfe. Er wurde in den 1980er Jahren ein Shooting-Star des Kunstmarktes und lehrte an der Kunsthochschule Dresden. Für den Bundestag stattete er das Jakob-Kaiser-Haus in Berlin mit einem über mehrere Stockwerke reichenden Wandgemälde aus. Und Staatsgäste werden in Zukunft in einem Empfangsgebäude der Bundesregierung von zwei großformatigen Wandgemälden Adamskis begrüßt.
Das Rauschen der Höfe
In lässiger Freizeitkleidung öffnet Adamski die Tür und schon steht man mitten im Atelier. Aus dem Hof dringen Stimmen und Geräuschen durch das geöffnete Fenster in den zweiten Stock. Das Treiben in den Höfen sei in den zwölf Jahren, in denen er dort Mieter ist, zunehmend quirliger geworden, habe er festgestellt. Von den zwei Pandemie-Jahren einmal abgesehen. Adamski freut sich darüber. Er verbringe hier viel Zeit alleine mit sich und seiner Arbeit. Das Grundrauschen der Höfe vermittelt ihm dabei das wohltuende Gefühl, unter Menschen zu sein - ohne dass diese ihn störten. Das liege an einer besonderen sehr entspannten Stimmung, die in den Höfen herrsche. „Hier passiert nie etwas Unangenehmes”, sagt Adamski.
Ein Schild im Hof
Ein weiterer Grund, warum sich Adamski in den Hackeschen Höfen wohl fühlt: Die Nähe zu einem seiner Werke. Sein Schild „Bei aufkommenden Emotionen bitte hier streicheln” wurde von der Verwaltung der Höfe angekauft und an einer Hauswand unterhalb von Adamskis Atelier angebracht. Es ist eines der populärsten Fotomotive der Höfe. Der Künstler liebt es, zu beobachten, wie Besucher auf sein Werk reagieren oder sich vor ihm inszenieren. Manchmal gesellt er sich zu ihnen, gibt sich als sein Schöpfer zu erkennen und bittet um ein Foto vor dem Schild. Mittlerweile hat er zahlreiche Fotos gesammelt. Eine Auswahl möchte er für ein Buchprojekt verwenden.
Soziale Plastik
Besonders gefreut hat er sich kürzlich über ein sympathisches Brautpaar, das sich vor seinem Schild fotografieren ließ. Das passt zu Adamskis Intention, in Form von Schildern in Behördensprache, die emotionale Seite des Menschen ins Spiel zu bringen. Nur wenige Tage inszenierte sich ein Paar auf ganz andere Weise vor seinem Schild. Amüsiert scrollt Adamski zum nächsten Foto: Beide sind im schwarzen Fetischlook gekleidet und der Mann entblößt eine Pobacke seiner Partnerin. So wird das Schild in Hof 2 zu einem lebendiges Beispiel einer „Sozialen Plastik”, von der Kunst-Guru Joseph Beuys so gerne sprach, in dessen Klasse Adamski als Student der Düsseldorfer Kunsthochschule hineinschaute.
Die verbotene Malerei
Zu dieser Zeit, in den 1970er Jahren, wurde die Kunstwelt von der Konzeptkunst beherrscht: Die Idee sollte im Zentrum des künstlerischen Schaffens stehen. Kunst sollte nicht auf eine bloß optische Wirkung abzielen. Handwerkliche Virtuosität war unter Künstlern verpönt. Auch Adamski wollte als junger Künstler auf gar keinen Fall einen Pinsel anfassen. In einer Schaffenskrise jedoch beschloss er mit befreundeten Künstlern, das Undenkbare zu tun: Malen. In der Künstler- und Ateliergemeinschaft „Mühlheimer Freiheit” wurde daraufhin unbefangen drauflos gepinselt - ein Akt der Selbstbefreiung. Schön musste es nicht sein. Gerne malte auch der eine auch mal im Bild des anderen herum. Die Gruppe wurde von einem renommierten Kölner Galeristen entdeckt und war bald Teil des Hypes um junge „wilde” Malerei aus Deutschland. Der Trubel und die Kommerzialisierung wurden Adamski bald zuviel. Er zog sich für zehn Jahre vom Kunstbetrieb ins Atelier zurück und arbeitete nur für sich.
Von Dresden nach Berlin
Mitte der 90er Jahre wurde er Professor an der Kunsthochschule in Dresden. Noch heute schwärmt Adamski von seinem dortigen Atelier mit acht Meter hoher Decke und Elbblick in einem Turmzimmer der Kunstakademie an der Brühlschen Terrasse. Als nach dem Ende seiner Dresdner Tätigkeit die Entscheidung entstand, sich in den Hackeschen Höfen zu verkleinern, zögerte Adamski. Als renommierter Künstler muss man auch an Repräsentation denken. Aber egal ob Freunde, Galeristen oder Sammlung – wie sich zeigte, waren alle von seinem charmanten neuen Standort begeistert.
Bilder und Texte
Mit Vergnügen präsentiert Adamski eine kleine Auswahl seiner im Atelier aufbewahrten Werke vor der Kamera. Er hat stets mit vielen unterschiedlichen Ausdrucksmitteln gearbeitet. Bei einem Blick auf Adamskis jüngere Arbeiten fällt auf: Text-Elemente spielen eine große Rolle. Sie sind Bestandteil vieler großformatiger Bilder. Aber auch Schilder produziert Adamski weiterhin, inszeniert und fotografiert sie. Ob er sich noch weitere Schild-Objekte in den Höfen vorstellen könne? Viele auf gar keinen Fall, antwortet Adamski. Aber noch ein oder zwei Schilder könnte er sich schon vorstellen.