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Der Herr der Höfe

Mann mit Mobiltelefon im ersten Hof der Hackeschen Höfe
Mann mit Mobiltelefon im ersten Hof der Hackeschen Höfe
Februar 2024

Thomas Taubert hält die Hackeschen Höfe am Laufen. Und das seit 30 Jahren. Als er als Hausmeister anfing, wurden in den heruntergekommenen Höfen noch Kühlanlagen gebaut und Autos repariert.

Aufregung in Hof 1. Mitten im Weg steht der Lieferwagen eines Raumausstatters. Der muss weg. „Nur zwei Minuten!“, versichert der Fahrer. Doch Hausmeister Thomas Taubert kennt das Spiel, er weiß, wie schnell 2 Minuten zu einer halben Stunde werden. Der Wagen versperrt die Durchfahrt und muss weg. Jetzt. „Fahren Sie rüber in Hof 2, dort ist mehr Platz“ löst Taubert das Problem bestimmt und pragmatisch.

Hofbereitschaft

Thomas Taubert sorgt zusammen mit einem jüngeren Kollegen Herrn Gehricke dafür, dass die Höfe funktionieren. Täglich zwischen 6 und 19 Uhr ist mindestens einer von beiden vor Ort. Der Tag beginnt mit Kontrollgängen, die Heizungsanlage wird geprüft, 20 Mülltonnen werden jeden Morgen aus den Kellern nach oben und wieder nach unten geschafft, Baufirmen werden eingewiesen, kleinere Reparaturen selbst erledigt. Taubert ist neben den Geschäften und Büros auch für die über 100 Wohnungen der Höfe zuständig. Rohrbrüche, steckengebliebene Aufzüge – irgendwas ist immer. Doch der Anspruch ist, Anliegen stets sofort zu bearbeiten.


Foto rechts: Die zwei Hausmeister der Hackeschen Höfe

Zwei Hausmeister in den Hackeschen Höfen
Zwei Hausmeister in den Hackeschen Höfen

Hofgemeinschaft

Wenn nicht gerade jemand gegen die Hofregeln verstößt, ist Herr Taubert freundlich und zugänglich. Die Mieter kennt er alle persönlich. Die Hackeschen Höfe sind ein Dorf. Man läuft sich auf den Höfen über den Weg, im Sommer wird beim Hoffest zusammen gegrillt. Taubert sieht sich als Hausbetreuer; manchmal findet er sich auch in der Rolle des Seelsorgers wieder. Taubert schätzt den individuellen Kontakt, die Vielfalt der Mieter und der Aufgaben. So wurden aus einem Übergangsjob 30 Jahre. Im November 2023 wurde sein Jubiläum groß gefeiert. Das Fotoalbum, das Mieter schon zum 25. für ihn zusammengestellt hatten, wurde um einige Seiten erweitert.

Foto links: Blick ins Fotoalbum zum 30. Jubiläum

Die Geheimnisse der Höfe

Der im Ostteil der Stadt aufgewachsene Taubert hatte nach einer Ausbildung als Stahlbauschlosser bereits einige Jahre als Haustechniker gearbeitet, als er im Jahr 1993 im Alter von 28 Jahren in die Höfe kam. Die Sanierung hatte noch nicht begonnen, die Höfe waren von jahrzehntelangem Verfall geprägt. Statt Geschäften und Restaurants residierte im ersten Hof hinter vergitterten Fenstern ein VEB Kühlanlagenbau. Im heutigen Restaurant Oxymoron wurden Trabis repariert. Die ältesten Wohnungsmieter waren bereits kurz nach dem Krieg eingezogen. Thomas Taubert erkundete das neue Terrain. Durch die Keller zogen sich ungeschützte Hochspannungsleitungen. Auch waren hier noch die Räume erhalten, in denen während des Krieges Zwangsarbeiter untergebracht worden waren – inklusive Arrestzelle.

Mit Hilfe von viel Kaffee entlockte Taubert dem vorigen Hausmeister seine Betriebsgeheimnisse. Wie sich herausstellte, lebte in den Höfen selbst ein weiterer noch älterer Hausmeister. Ihn brachte Bier zum Sprechen.


Foto rechts: Herr Taubert und Herr Gehricke in ihrem Büro in den Hackeschen Höfen

Vier Bilder aus dem Hausmeisterbüro der Hackechen Höfe
Vier Bilder aus dem Hausmeisterbüro der Hackechen Höfe

Pionierzeit

Wie wichtig Insiderwissen ist, lernte Taubert gleich im ersten Winter, als bei Außentemperaturen bis zu minus 18 Grad die Heizungsanlage ausfiel. Der volkseigene Hersteller war längst untergegangen und innerhalb kürzester Zeit mussten Restbestände spezieller Ventile ausfindig gemacht werden, um die Heizung wieder in Gang zu setzen.

Eine Herausforderung, nicht nur für Taubert, sondern für alle Beteiligten war auch die 1994 beginnende vierjährige Sanierung der Hackeschen Höfe. Dabei sorgte die dunkle Vergangenheit für die größte Aufregung. Im Dach über dem heutigen Kino war 50 Jahre lang eine Fliegerbombe unbemerkt geblieben und landete eines Tages über die Schuttrutsche im Saal, wie sich Taubert lebhaft erinnert. Zum Glück gingen die Höfe nicht in die Luft und erstrahlten bald in neuer Schönheit.

Foto links: Thomas Taubert in Hof 1

Der Herr der Dinge

Vor wenigen Jahren entdeckte Hobbyfotograf Taubert Instagram für sich. Ganz privat und unbezahlt macht er seither unter dem treffenden Namen Herr.der.Dinge auf Instagram Werbung für seinen Arbeitsplatz. Taubert zeigt die Schönheit der Hackeschen Höfe und ihrer Umgebung, seine Impressionen entstehen bei jedem Wetter, zu jeder Tages- und Jahreszeit. Er findet ungewöhnliche Blickwinkel, nicht zuletzt, wenn er auf den Dächern der Höfe unterwegs ist, und dokumentiert besondere Ereignisse, seien es Dreharbeiten oder das Pflanzen eines Bäumchens. Wer also über das, was in den Höfen passiert, auf dem Laufenden bleiben will, ist gut beraten, neben dem Profil der Höfe auch dem des Herren der Dinge zu folgen.

Rechts: Fotos aus Thomas Tauberts Instagram-Profil

Viere Fotos von den Hackeschen Höfen in Berlin
Viere Fotos von den Hackeschen Höfen in Berlin