Leben und Arbeiten in einem Denkmal: die Hackeschen Höfe
Die Hackeschen Höfe sind ein Denkmal, das lebt. Eigentlich soll hier alles so bleiben, wie es ist – beziehungsweise, wie es einmal war. Jede Veränderung muss genehmigt werden. Gleichzeitig entsprechen die über 100 Wohnungen, Büros, Shops und Gastronomiebetriebe heutigen Standards. Wir haben nachgefragt, wie der Denkmalschutz im Alltag funktioniert.
Viele Denkmäler stehen einfach nur da – gerne auf öffentlichen Plätzen. Sie sind sozusagen hauptberuflich Denkmal, wie in Berlin etwa die Siegessäule oder das Brandenburger Tor. Doch auch Gebäude oder ganze Ensembles können zum Baudenkmal erklärt werden.
Diese Auszeichnung erhielten die Hackeschen Höfe bereits 1977. Damals befanden sie sich jedoch in einem traurigen Zustand. Die stuckverzierte Straßenfassade war 1961 abgeschlagen worden, im ersten Hof waren große Teile der Jugendstil-Verblendsteine beschädigt oder abgefallen, die ehemaligen Festsäle wurden als Autowerkstatt oder Lagerräume zweckentfremdet. Der Denkmalstatus half den Höfen zunächst nicht weiter: Sanierungspläne wurden zu DDR-Zeiten nicht umgesetzt.
Im Fokus: Jugendstil-Architekt August Endell
Die Hackeschen Höfe sind das größte zusammenhängende Hofensemble Europas mit einer einzigartigen Mischung aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie. Auch wenn die gesamte Anlage unter Denkmalschutz steht, gilt das besondere Interesse den Leistungen von August Endell. Der Jugendstil-Künstler und Architekt forderte mehr Schönheit und Gestaltung in den Städten und wollte eine „Genusskultur“ befördern. Die Hackeschen Höfe zählen zu seinen wenigen erhaltenen Bauwerken.
Die Gesamtanlage wurde von Kurt Berndt geplant und errichtet; Endell erhielt den Auftrag für mehrere Innenräume und die Fassaden im ersten Hof. Diese setzte er mit einem geschwungenen Dachfirst, farbigen Verblendsteinen und 41 verschiedenen Fensterformen in Bewegung.
In neuem Glanz
1993 wurden die Höfe an die Erben des früheren Besitzers zurückgegeben und 1994 von zwei Investoren erworben. Noch im gleichen Jahr ließ die Senatsverwaltung ein Sanierungskonzept erstellen; 1995 begann die denkmalgerechte Restaurierung. Dafür wurden schriftliche, zeichnerische und fotografische Quellen zur Baugeschichte ausgewertet. Außerdem erfolgte im Auftrag des Landesdenkmalamtes eine umfangreiche Bestandsaufnahme vor Ort: Neben Fotografien entstanden exakte Zeichnungen von Fassaden, Fenstern und erhaltenen Deckenleuchten. Mit Skalpell und Lösungsmitteln legten Restauratoren Farb- und Putzschichten frei und dokumentierten sie.
Neben den Fassaden im ersten Hof wurden das Treppenhaus zum Kino und zum Chamäleon Theater originalgetreu rekonstruiert. Auch die unter Farbschichten verborgene Gestaltung des Theatersaals kam wieder ans Licht. Ebenso finden sich im Restaurant Hackescher Hof, im Oxymoron und im Auerbach Store bis heute Elemente von Endells Entwürfen.
Denkmalschutz nach der Sanierung
Auch nach der Sanierung wacht der Denkmalschutz über das Erscheinungsbild der Höfe. Jede bauliche Veränderung muss beantragt und genehmigt werden – zunächst bei der unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks, bei wichtigen Fragen auch beim Landesdenkmalamt.
Seit 1993 steht zudem die Nachbarschaft der Hackeschen Höfe, die Spandauer Vorstadt, unter Ensembleschutz. Bauliche Veränderungen oder Nutzungsänderungen müssen seither genehmigt werden. Ziel ist es, die städtebauliche Gestalt zu bewahren.
Der Architekt Dipl.-Ing. Andreas Hölzer, seit 2010 für die Hackeschen Höfe tätig, stimmt auch kleinste Eingriffe mit der Denkmalschutzbehörde ab. So verlangte die Feuerwehr, am Haupteingang in der Rosenthaler Straße ein Schlüsseldepot einzurichten, um im Notfall Zugang zu den nachts verschlossenen Höfen zu erhalten. Auch die Position und Gestaltung dieses Depots musste zuvor die Denkmalschutzbehörde genehmigen. Hölzers Erfahrung: Wenn er sich im Kleinen korrekt verhält, kann er bei größeren Fragen auf Kompromissbereitschaft hoffen. Ihm zufolge entscheidet die Behörde in der Regel pragmatisch. So wurden jüngst sowohl eine Brandmeldeanlage im Restaurant Hackescher Hof als auch eine Kälteanlage auf dem Dach des ersten Hofes ohne Probleme genehmigt.
Das Denkmal-Depot
Mitunter knüpft die Behörde Genehmigungen jedoch an Auflagen. Bei der Renovierung von Einzelhandelsflächen an der Rosenthaler Straße kamen unter Verkleidungen alte Heizkörper aus der Erbauungszeit zum Vorschein. Diese durften entfernt werden, mussten jedoch archiviert werden. Sie wanderten in das unterirdische Denkmal-Depot der Höfe – ebenso wie die Loren, mit denen früher die Kohlen aus dem Lager in Hof 3 in den Heizungskeller von Hof 1 transportiert wurden.
Dass Heizkörper und Kohleloren jemals wieder zum Einsatz kommen, ist unwahrscheinlich. Doch sie sind noch da – als stille Zeugen der Geschichte.