Der Keller der toten Hühner – das Monsterkabinett im Haus Schwarzenberg

In einem Keller in der Nachbarschaft der Hackeschen Höfe treiben groteske Maschinenmonster ihr Unwesen. Mehrmals täglich dürfen Besucher die Geschöpfe der Künstlergruppe „Dead Chickens“ besuchen. Aber Vorsicht: Sie beißen und treten aus! Wir haben uns zu ihnen hinabgewagt.
Der Hof des Haus Schwarzenberg ist ein Freilichtmuseum, das den Geist der wilden 1990er-Jahre in Berlin sorgsam konserviert. Der morbide Charme der bröckelnden Fassaden, die mit Graffiti übersäten Wände und die schräge Kaschemme Eschloraque Rümschrümp zeugen von einer Zeit, die zum Mythos wurde. Nur an wenigen anderen Orten in Berlin bekommt man noch eine Idee davon, was in der Stadt damals abging und wie sie aussah. Das Haus Schwarzenberg ist eine Touristenattraktion. An einem Nachmittag im Vorfrühling drängen sich im schmalen ersten Hof mehrere Reisegruppen, Besucher fotografieren fasziniert die Graffiti.
Auf der Suche nach dem mysteriösen Monsterkabinett tauche ich ein ins Getümmel und gelange in den zweiten Hof, der von einem großen Stahlvogel mit Rüssel, Kullerbauch und zerfledderten Flügeln beherrscht wird. Wie ich später erfahre, hört das Ungetüm auf den Namen Schnabelschere, stammt von dem Künstler KAI und konnte sich früher einmal bewegen.
Hier bin ich richtig. Zu Blochs Füßen weist ein handgemaltes Schild auf das Monsterkabinett hin. Ich habe Glück, eine Führung steht kurz bevor. Eine Gruppe von außer mir acht Leuten hat sich zusammengefunden, alle sind offensichtlich Touristen. Ein schwarzgekeideter freundlicher junger Mann führt uns über eine steile Treppe hinab in den Untergrund.

Kaum haben wir den düsteren niedrigen Keller betreten, kommt schon ein ungefähr ein Meter hohes spinnenartiges Wesen auf uns zu gekrabbelt, das den Eingang bewacht. Während sie unser Guide mit Mühe in Schach hält, schleichen wir uns an der scharrenden Spinne vorbei ins Innere des Kabinetts.
Hier haust eine Menagerie ganz unterschiedlicher Maschinenwesen, die zunächst noch friedlich im Halbdunkel schlummern. Unser Führer, der sich als charmantes Showtalent entpuppt, erweckt in der nun folgenden Performance ein klappriges Monster nach dem anderen zum Leben – jeweils begleitet von ohrenbetäubender Punkmusik und unterstützt von einer im Verborgenen agierenden Operateurin. Eindringlich wird davor gewarnt, den Monstern zu nahe zu kommen. Das Wort „Touristenfalle“ wird hier wörtlich genommen.
Endzeitvisionen in Bewegung
Mir hat diese begehbare Geisterbahn Spaß gemacht – und neugierig darauf, etwas über die Geschichte der Monster zu erfahren. Die reicht bis in die späten 1980er-Jahre zurück, als sich die Punkband The Dead Chickens zusammenfand, bestehend aus Hannes Heiner und KAI. Die beiden Künstler machten jedoch nicht nur Musik, sondern begannen auch kinetische Objekte zusammenzuschrauben, die postapokalyptischen Visionen entsprungen zu sein schienen.
Die Monsterautomaten treffen den Zeitgeist, in den 1990er Jahren haben sie einen Lauf. Sie gehen auf Tour, treten auf Festivals sowie mit der Performance-Truppe La Fura dels Baus im Berliner Tempodrom auf und werden von der renommierten Berliner Galerie Raab ausgestellt.

Freiraum in Ruinen
Als die Mauer fällt, tun die Dead Chickens das, was im Berlin der 1990er-Jahre alle Künstler tun: Sie erobern sich eine der vielen im ehemaligen Ostteil leerstehenden Halbruinen als Wohn-, Arbeits- und Freiraum. Zusammen mit anderen Künstlern landen sie in einem Hofkomplex in der Rosenthaler Straße 39, der später Haus Schwarzenberg genannt wird. Dort gestalten die Punk-Künstler die Ausstattung des Eschloraque Rümschrümp und hier finden schließlich auch ihre mechanischen Kreaturen einen festen Wohnort, an dem sie sich im Keller mehrmals täglich austoben dürfen.

Im Frühjahr 2025 wurden die Objekte generalüberholt. Sie instand- und beweglich zu halten, ist eine Herausforderung. Die pneumatisch betriebene Mechanik ist komplex. Gesteuert wird sie von Computerprogrammen, die auf Windows XP basieren, einem Betriebssystem, das nur noch auf historischen Rechnern funktioniert. Wer weiß, wie lange noch. Wer die durchgeknallten Automatenkreaturen also noch erleben möchte, sollte sich beeilen. Besuch auf eigene Gefahr.
Lese hier mehr über das Haus Schwarzenberg.
Das Monsterkabinett
im Haus Schwarzenberg
Rosenthaler Straße 39 | 2. Hof
Öffnungszeiten:
Mittwoch und Donnerstag zwischen 17:30 und 22 Uhr
Freitag und Samstags zwischen 16:30 und 22 Uhr
Kinder ab 6 Jahren nur in Begleitung Erwachsener
Eintritt: 10 €