Der Hackesche Markt – seine Geschichte und warum er so heißt.
Der Hackesche Markt ist einer der quirligsten Plätze der Stadt. Wegen der Hackeschen Höfe sowie des großen Gastronomie- und Shopping-Angebots ist er ein Hotspot für Berlin-Besucher. Doch auch kaum ein Einheimischer weiß: Woher kommt eigentlich der merkwürdige Name? Mit dem Gartenwerkzeug hat er jedenfalls nichts zu tun.
Der heutige Hackesche Markt war lange Zeit ein Sumpfgebiet vor den Mauern der Stadt. Doch vom Spandauer Stadttor aus führten wichtige Verbindungsstraßen nach Spandau und nach Hamburg. Aber auch vor dem Tor siedelten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in der sogenannten Spandauer Vorstadt Menschen an.
Der Krieg, der 1648 endete, hatte Berlin schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Zahl der Einwohner hatte sich auf 6.000 halbiert. Doch Ende des 17. Jahrhunderts steigt die Bevölkerungszahl wieder an. In der Garnison sind mehr Soldaten stationiert und es werden viele Zuwanderer in die Stadt geholt, vor allem protestantische Franzosen, sogenannte Hugenotten, die in ihrer Heimat verfolgt wurden. Aber auch 50 aus Wien vertriebene jüdische Familien dürfen sich in Berlin ansiedeln. Rund 100 Jahre zuvor waren alle Juden aus Berlin vertrieben worden.
Die Stadt wächst über die Befestigung hinaus. Im Jahr 1672 wird eine Feuerverordnung erlassen: Scheunen für Heu und Stroh sind nur noch vor dem Spandauer Tor erlaubt. So entsteht das „Scheunenviertel". Die Spandauer Vorstadt ist anfangs noch durch Gärten geprägt. Doch schon zu Beginn des 18. Jahrhundert gibt es ausreichend Bewohner, um eine Gemeinde zu gründen. Im Jahr 1712 wird für sie die Sophienkirche eingeweiht.
Die Mauer muss weg: Der Hackesche Markt entsteht.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wird die Stadt zu ihrem Schutz vor feindlichen Heeren mit einem starken Befestigungswall und einem Festungsgraben umgeben. Doch schon nach wenigen Jahrzehnten ist diese Stadtbefestigung durch neue Entwicklungen der Kriegsführung nicht mehr zeitgemäß. Außerdem steht sie der Erweiterung der florierenden Stadt im Weg. Es wird entschieden: Die Mauer muss weg. Ab 1730 wird die Wallanlage abgetragen.
Mitte des 18. Jahrhunderts soll dort, wo vorher das Spandauer Stadttor stand, ein Platz entstehen. Mit diesem Projekt beauftragt der preußische König Friedrich II den damaligen Stadtkommandanten Berlins. Sein Name: Graf von Hacke. Hacke legt einen Marktplatz und einige Nebenstraßen an. Der nach dem Grafen Hacke benannte Platz ist noch bis Ende des 18. Jahrhunderts von provisorischen Bauten und Marktständen aus Holz geprägt. Die Buden des heutigen Wochenmarkts auf dem Platz haben hier also Tradition.
An der Südseite des Platzes bleibt noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der alte Festungsgraben erhalten – bis auf ihm das Viadukt der Stadtbahn gebaut wird. Der Straßenname „An der Spandauer Brücke” erinnert noch heute an den Graben.
Schon seit 1672 wird ein Grundstück an der Oranienburger Straße, damals noch vor den Toren der Stadt, von der jüdischen Gemeinde als Friedhof genutzt. Im 18. und 19. Jahrhundert siedeln sich viele Juden in der Gegend an. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden Wohnungen wohlhabender und gebildeter jüdischer Bürger rund um den Hackeschen Markt zu einem Zentrum des jüdischen Geisteslebens. 1821 wird hier ein Verein für Kultur und Wissenschaft des Judentums gegründet. In der Nachbarschaft des jüdischen Friedhofs errichtet die jüdische Gemeinde weitere Bauten – ein Altersheim, eine Knabenschule und schließlich in den 1860er-Jahren die prächtige Neue Synagoge.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird das Spandauer Viertel zum Zentrum jüdischer Zuwanderung aus dem Osten des Deutschen Reiches. Rund um den Hackeschen Markt lassen sich verschiedene jüdische Institutionen und Vereine nieder, es gibt mehrere Spielstätten jüdischer Theatergruppen.
Boomtown Berlin
Im Jahr 1830 hat die Stadt 250.000 Einwohner, 50 Jahre später ist Berlin Millionenstadt. Mit der Industrialisierung seit den 1830er-Jahren, durch Zuwanderung und eine hohe Geburtenrate explodiert die Bevölkerung. Und der Hackesche Markt ist im Zentrum der Entwicklung.
In der benachbarten Oranienburger Vorstadt an der Chausseestraße und nördlich der heutigen Torstraße entsteht das wegen der rauchenden Schornsteine sogenannte „Feuerland”, das erste Industriegebiet der Stadt, in dem Maschinen und Lokomotiven gebaut werden. Um 1890 erreicht die extreme Bevölkerungsdichte im Spandauer Viertel einen Höhepunkt: 70.000 Menschen leben jetzt hier.
Der Hackesche Markt ist jetzt Innenstadt – mit einer Mischung aus Wohnen, Handel sowie Werkstätten und Fabriken, vorwiegend der Textilindustrie. Die Straßen um den Hackeschen Markt werden zu einer attraktiven Geschäftsgegend. Die Bodenpreise explodieren, ältere Häuser werden durch neue höhere Häuser ersetzt. Es entstehen mehrere Kaufhäuser, zum Beispiel ein Kaufhaus Wertheim an der Rosenthaler-, Ecke Sophienstraße. Das Gebäude ist bis heute erhalten.
Ende des 19. Jahrhunderts wird der alte Festungsgraben mit der Berliner Stadtbahn überbaut, 1882 wird der S-Bahnhof auf dem Hackeschen Markt eröffnet – allerdings unter dem Namen „Börse”, denn die Berliner Börse befindet sich ganz in der Nähe am Spreeufer. Die S-Bahnbögen werden für Garagen und Werkstätten, für Handel und Gastronomie genutzt.
Der Hackesche Markt wird außerdem zu einem zentralen Knotenpunkt der Straßenbahn. In den 1890er-Jahren führt durch die Rosenthaler Straße sogar die Probestrecke einer Schwebebahn.
Die Hackeschen Höfe
Mit dem Neubau wird der Architekt Kurt Berndt beauftragt, ein Anhänger des Jugendstils. Der Eigentümer setzt auf eine Mischkalkulation: In den Höfen sollen Wohngebäude, Gewerbe, Groß- und Einzelhandel Platz finden. Im ersten Hof kommen mehrere Festsäle und Gastronomiebetriebe dazu. Die Wohnungen haben durchweg einen für die damalige Zeit hohen Standard, verfügen über Innentoiletten, Bäder, Zentralheizung, Parkett und Balkone. Dazu kommen die grünen und ruhigen Innenhöfe.
Vergnügungsviertel
Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Gegend um den Hackeschen Markt ein Zentrum des Nachtlebens und des Amüsements. Die kleinen und größeren Kneipen und Restaurants wie Aschingers Bierquelle waren Treffpunkte für die kleinen Leute, auch zwielichtige Lokale und Bordelle gehörten zum Umfeld. In der großen Zeit des Kinos in den 1920er-Jahren eröffneten viele Spielstätten, unter anderem eines in den Hackeschen Höfen, in einem umgebauten Festsaal. Das Hackesche Höfe Kino knüpft seit 1996 an diese Tradition an.
Am nahen Spreeufer errichtete der Zirkus Busch im Jahr 1895 ein festes Haus für 4.000 Besucher. Pferde- und Wasservorführungen waren die Spezialität von Busch. Nach dem Tod des Vaters übernimmt Paula Busch die Leitung des Hauses, führt Regie und übernimmt die Hauptrollen in ihren Inszenierungen. 1934 machen die Nazis das Haus dicht. Auch die Zirkus-Tradition lebt heute in den Hackeschen Höfen weiter: im Chamäleon Theater.
Der Niedergang: Diktatur und Krieg
Mit der Nazizeit beginnen dunkle Jahrzehnte für die Spandauer Vorstadt und den Hackeschen Markt. Die jüdischen Bewohner werden vertrieben und ermordet, das jüdische Altersheim in der Hamburger Straße wird gar als Sammellager für die jüdische Bevölkerung vor dem Abtransport in die Vernichtungslager benutzt. 1938 setzen Nazi-Horden die Neue Synagoge in Brand. Ein mutiger Polizist hält sie jedoch auf und holt die Feuerwehr. Doch wird die Synagoge Ende 1943 bei einem Luftangriff schwer beschädigt.
Wie große Teile der Stadt liegt auch der Hackesche Markt nach dem Krieg zu einem großen Teil in Trümmern. Die Baulücken am Platz überdauern die gesamte DDR-Zeit. In unmittelbarer Nachbarschaft zum in den 1960er-Jahren wiederaufgebauten repräsentativen Zentrum rund um den Alexanderplatz versinkt der Hackesche Markt in der Bedeutungslosigkeit. Die S-Bahnstation wird nach dem 500 Meter entfernt liegenden Aufmarschplatz in „Marx-Engels-Platz” umbenannt. Die Hackeschen Höfe sowie der Altbaubestand in der Spandauer Vorstadt und im Scheunenviertel verfallen.
Der Hackesche Markt heute
Nach der Wiedervereinigung der Stadt im Jahr 1990 werden die vorhandenen Altbauten saniert und die Baulücken geschlossen. Die repräsentative Straßenfront der Neuen Synagoge mit der Hauptkuppel in der Oranienburger Straße wird originalgetreu rekonstruiert und 1995 als Centrum Judaicum wiedereröffnet. 1997 erstrahlen nach aufwendigen Sanierungsarbeiten auch die Hackeschen Höfe wieder in neuem Glanz und werden zu einem Besuchermagnet.
Der Hackesche Markt wird neu gestaltet und ist heute größtenteils Fußgängern vorbehalten. Am Platz, in den S-Bahnbögen sowie entlang der Straßen der Umgebung siedeln sich gastronomische Einrichtungen an. Der Platz wird an drei Tagen in der Woche für einen Wochenmarkt genutzt. Hier tummeln sich vornehmlich Touristen, während sich die Rosenthaler Straße, die Neue Schönhauser Straße und die Münzstraße zu einem beliebten Shopping-Areal für mode- und trendbewusste Berliner entwickelt haben.
Heute ist der Hackesche Markt wieder so lebendig wie die meiste Zeit seines Bestehens.