30 Jahre Wiedergeburt der Hackeschen Höfe

Die Hackeschen Höfe, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit 30 Jahren. Nach einer aufwendigen Sanierung erstrahlten sie in neuem Glanz. 1995 waren die Bauarbeiten noch im vollen Gange. Doch mit einem rauschenden Fest wurde schon einmal der Neubeginn gefeiert. Doch auf die Party folgte der Kater.
Die Besucher fühlten sich wie bei einer Baustellenbegehung: Die Fassaden waren eingerüstet, der Boden aufgerissen, Holzstege führten über Baugruben – so sah es im Juni 1995 in den Hackeschen Höfen aus. Fertig war noch nichts, aber die Eigentümer wollten schon einmal ihre großen Pläne vorstellen und die neu eingezogenen Geschäfte auf sich aufmerksam machen. Nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf kannte kaum ein Berliner die Hackeschen Höfe, vor allem nicht im Westteil der Stadt. Das sollte sich ändern. Und so wurde zwischen Betonmischern und Bauplanen kräftig gefeiert. Der regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und der Schauspieler Otto Sander sprachen, in den Höfen 2 und 4 gab es Musik und Theaterdarbietungen, über ein ganzes Wochenende hinweg strömten Tausende in die Höfe, Bier und Schaumwein flossen in Strömen.
Neuanfang nach dem Niedergang
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war das einzigartige Hofensemble zunehmend verfallen. In den 1960er Jahren wurde die einstmals prunkvolle Straßenfassade abgetragen. Dass die Höfe 1977 zum Denkmal erklärt wurden, half ihnen wenig. Pläne für eine Sanierung konnten zu DDR-Zeiten nicht umgesetzt werden.
Ein 1991 gegründeter Verein engagierte sich für die Erhaltung der Höfe und für weiterhin bezahlbare Mieten. Nachdem zwei Investoren das Areal von Erben des früheren Eigentümers erworben hatten, begann 1995 eine umfangreiche Sanierung. Die Jugendstilfassaden im ersten Hof wurden rekonstruiert, die Haustechnik und Dächer erneuert und sämtliche Gebäude saniert. Das Eingangsgebäude zur Rosenthaler Straße und zum Hackeschen Markt wurde aufgestockt und erhielt eine neue Fassade.

Das ursprüngliche Konzept der Höfe, eine bunte Mischung aus Wohnen, Büros, Einzelhandel, Gastronomie und Kultur, wurde wiederbelebt. Dafür hatte sich der Verein bei der Stadtverwaltung eingesetzt. In den Räumen des heutigen Chamäleon hatte sich bereits eine Theatertruppe eingenistet, unter dem Dach wurden Kinosäle eingebaut. In die Ladengeschäfte der Höfe, die zuvor leer standen, als Lagerräume oder als Autowerkstatt dienten, zog neues Leben ein. Im zum „Design Areal“ deklarierten vierten Hof hatten sich ein Friseursalon, lokale Modelabels und Accessoire-Manufakturen eingemietet. Zwei der Pioniere von damals sind noch heute vor Ort – die Goldschmiede Schmuckwerk und der Flagshipstore des Berliner Schuhproduzenten Trippen.
Champagner aus dem Brunnen
Hof 4 war ein Epizentrum der Feierlichkeiten am 18. und 19. Juni 1995. Schmuckwerk-Chefin Sabine Dubbers beteiligte sich dort an den Vorbereitungen. Begeistert berichtet sie von einem riesigen Bartresen rund um den Brunnen, den ein befreundeter Architekt aus Baugerüsten errichtet hatte. Der Brunnen selbst wurde mit Eis und Champagnerflaschen gefüllt. Für den Ausschank wurde der amtierende Mr. Berlin höchstpersönlich engagiert. Vor ihrem Geschäft hatte Dubbers zudem einen mit rotem Samt bespannten Schaukasten aufgestellt. Durch Gucklöcher konnten interessierte Besucher:innen in seinem Innern Schmuckstücke an nackten Männerkörpern bewundern.

Stilvoll feiern in Ruinen
Uwe Reddig hatte mit zwei Kompagnons zu dieser Zeit gerade Interesse an der Anmietung des heutigen Restaurants Hackescher Hofs angemeldet. Die Räume zwischen dem ersten Hof und der Rosenthaler Straße waren seit Jahrzehnten nicht mehr gastronomisch genutzt worden. Dort „sah es aus wie ausgebombt“, so Reddig. Ringsum stand in Hof 1 alles leer, die Fenster waren vergittert, nur das Chamäleon war schon da.
Die Feier im Juni 95 wurde für Reddigs Team zur Bewährungsprobe. Es wurde mit der gastronomischen Versorgung in Hof 1 beauftragt – aus leeren Räumen heraus, ohne Küche, nur mit kaltem Wasser aus einem Schlauch. Die Vermieter „wollten uns testen, ob wir es schaffen, unter diesen Bedingungen eine Party zu schmeißen“. Das gelang mit Bravour und mit Stil – wie es sich für die Hackeschen Höfe gehört. Die Speisen wurden auf Porzellan ausgereicht, Getränke in Gläsern ausgeschenkt.
Berlin Mitte war zu dieser Zeit ein Tummelplatz für Künstler und Lebenskünstler. Es wurde gerne und viel gefeiert. Die letzten Gäste der Höfe-Party sammelten sich in Hof 1 und feierten dort bis in die Nacht. „Irgendwann lagen sich betrunken in den Armen“, erinnert sich Reddig.

Böses Erwachen nach der Party
Den neuen Mietern der Geschäfte war bald nicht mehr zum Feiern zumute. Die Bauarbeiten gingen nach der Party erst richtig los und zogen sich wesentlich länger hin als angekündigt.
Hinter der eingerüsteten Fassade vermuteten Passanten keine geöffneten Geschäfte. Bei Regen verwandelten sich die Höfe in eine Schlammwüste, Baulärm und Staub verführten nicht gerade zum Bummeln. Gleichzeitig verpflichteten die Verträge die Mieter dazu, ihre Geschäfte offenzuhalten. Die Unzufriedenheit wuchs, die Klagen über die Eigentümer – wohlgemerkt andere als heute – wurden immer lauter.
Erst 1997 waren die Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Das kleinteilige Einzelhandelskonzept mit inhabergeführten Geschäften und lokalen Manufakturen bewährte sich, die Hackeschen Höfe entwickelten sich rasch zu einem Ort zum Bummeln, Einkaufen und Ausgehen.
Heute sind die Höfe aus dem Stadtleben nicht mehr wegzudenken und eine der meistbesuchtesten Sehenswürdigkeiten Berlins.
